Liebe Katharina, vielen Dank, dass du dich wieder mit uns für ein kurzes Gespräch zusammensetzt. Prinzessin Petronia – Das Brimborium schlägt zurück ist eine Persiflage auf Antoine de Saint-Exupérys Kinderbuchklassiker Der kleine Prinz. Bist du selbst ebenso genervt vom Kleinen Prinzen wie seine Cousine Petronia?
Als Kind habe ich den kleinen Prinzen natürlich geliebt, als Buch und Weihnachtsmärchen im Theater. Aber als Kind dachte ich ja auch, im Keller würden Vampire auf mich lauern und mit 30 Jahren wäre ich steinalt. Kurz: Mein Horizont war damals ein wenig begrenzt. Das hat sich hoffentlich verwachsen mit der Zeit. Inzwischen teile ich Petronias Abneigung gegen ihren Cousin und halte ihn für einen kleinen Schleimer, der mit seiner blonden Niedlichkeit und seiner kitschigen Aura schamlos Mensch und Tier manipuliert.
Welche Strips hatten den meisten Einfluss auf deine Entwicklung als Zeichnerin und Humoristin?
Ich bin unter anderem mit Hägar dem Schrecklichen aufgewachsen. Ich hoffe, ich habe inzwischen meinen eigenen Humor entwickelt, aber Hägar ist teilweise dafür verantwortlich, dass ich überhaupt welchen habe.
Als ich angefangen habe, mich professionell mit dem Witz zu beschäftigen, waren es die Comics der Neuen Frankfurter Schule, die mich am meisten interessiert haben, also Robert Gernhardt und Co. Aktuell habe ich Tom Gauld und Peter Blegvad für mich entdeckt.
Wie würdest du Petronia beschreiben? Ist sie die typische interstellare Adelsvertreterin oder fällt sie eher aus der Reihe?
Da sie die einzige Tochter der Königin des Universums ist und damit erste Thronfolgerin, kann sie nicht typisch sein, sondern ist per se einzigartig. Zusätzlich ist sie aber auch noch ziemlich verschroben: Sie hasst Rosa, liebt dafür Naturwissenschaften und bricht damit mit abgedroschenen Rollenklischees, die so über Prinzessinnen kursieren. Außerdem neigt Petronia sehr zur Herrschsucht, gepaart mit einem guten Schuss Grausamkeit. In diesen letzten Eigenschaften wird sie lediglich von ihrer Mutter übertroffen, die sie auf diesen winzigen Himmelskörper verbannt hat. Eigentlich will Petronia nur nach Hause und fühlt sich schrecklich einsam. Tragisch.
Der erste Band hat den Titel Die dicke Prinzessin Petronia. Machst du dich mit dem Wort „dick“ über sie lustig?
Nein. Petronia hat ihr Wohlfühlgewicht. Ich wollte einen totalen Gegensatz zum kleinen Prinzen erschaffen, innerlich wie äußerlich. Der Prinz ist honigsüß – Petronia ist verdammt mürrisch. Er ist blond, schlank und entspricht vorherrschenden Schönheitsnormen – also musste sie einfach kräftiger sein. Sie findet sich absolut zu Recht genau richtig und wenn das Universum etwas anderes denkt, liegt es falsch.
In Band 2 erfahren wir ein bisschen mehr über die restliche Familie von Petronia, vor allem die Urururgroßmutter Prometia, die für ihre schlechte Laune bekannt und gefürchtet war. Was kannst du uns noch über die anderen galaktischen Royals erzählen? Von wem hat Petronia ihr sonniges Gemüt geerbt?
Genau wie die Krone werden Missmut und Jähzorn seit Generationen von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Nur Petronias Großmutter, Ex-Königin Plutonia II., fällt da etwas aus dem Rahmen. Manchmal zeigt sie so etwas wie Fürsorglichkeit, z.B. wenn sie ihrer Enkelin einen Planeten-Schonbezug schenken möchte. Allerdings tauchte dieser Wesenszug erste nach dem Tod ihres Mannes, König Neptus, auf. Um sich von ihrer Trauer abzulenken, nahm sie Krocket-Stunden und verliebte sich in ihren Trainer Marvin. Jetzt hat Petronia einen Stiefgroßvater, der jünger als ihre Mutter ist. Diese neue Liebe hat die Großmutter wohl etwas weicher werden lassen.
Zwischen Band 1 und 2 gab es auch in unserer Welt jede Menge Royal-News: die Queen ist gestorben, Megan & Harry haben sich selbstständig gemacht, Charles hat endlich die Krone aufgesetzt bekommen und „The Crown“ hat bei NETFLIX sein Serienfinale gefeiert. Ich gehe jetzt mal von aus, dass du durch PETRONIA jetzt auch zu einer Royal-Expertin geworden ist … Welche Entwicklungen aus der Welt des Erd-Adels haben dich für deine neuen Strips am meisten beeinflusst?
Auch wenn die Royals ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für eine irdische Streaming-Plattform und die Klatschpresse sind, interessiert sich jenseits der Stratosphäre niemand für sie. Zwar sind sie sehr, sehr weitläufig mit Petronias Familie verwandt, aber da draußen im All gibt es bedeutend wirkmächtigere Wesen. Einzig der Tod der Queen spielt eine Rolle für die Prinzessin, da ihre Mutter sie zu deren Beerdigung schickt. Vor dieser unliebsamen Mission wird Petronia aber durch eine interstellare Spinne gerettet. Zum Glück!
Bei allen Wortspielen, augenzwinkernder Ironie und grafischen Spielereien hat Petronia auch durchaus einen ersten Kern: Es geht um Einsamkeit, Ablehnung, mit sich selbst und seinem Äußeren ins Reine kommen. Wie wichtig ist dir dieser Aspekt beim Erfinden neuer Petronia-Storys?
Ja, die Einsamkeit ist ein roter Faden, der sich durch die Petronia-Saga zieht und zwischen den absurden Episoden immer wieder aufblitzt. Ein Gefühl, das ich und sicher auch viele Lesys kennen. Denn egal, wie toll wir digital und analog vernetzt sind, sitzen wir doch alle irgendwie auf unseren eigenen kleinen Planeten herum, irgendwo am Rande der Milchstraße. Und dabei ist es schön, in einem Magazin oder einem Buch auf eine Gleichgesinnte zu treffen, also gemeinsam einsam zu sein.
Bleiben wir bei ernsteren Themen: Du zeichnest auch politische Cartoons für Tageszeitungen – einiger deiner Arbeiten sind z.B. in der neuen Cartoon-Anthologie Wir haben die Wahl! (Lappen) zum Thema Wahlrecht und Rechtsstaatlichkeit enthalten. Welche Themen interessieren dich als politische Humoristin am meisten?
Mich interessieren vor allem die verrückten Auswüchse des Kapitalismus, die ungleiche Verteilung von Vermögen, der wachsende Antisemitismus und Rechtsextremismus. Letzterer hat es sogar bis zu Petronias Miniplaneten geschafft: Als sie dort eine Paketstation einrichtet, um ihre Nachbarn kennenzulernen, stößt Multifunktionswurm Mirco in einem offenen Päckchen auf Nazi-Devotionalien. Ich denke, es sollte dringend etwas unternommen werden, bevor sich dieses Gedankengut im ganzen Universum ausbreitet!
Fortsetzungs-Strips machen weltweit einen Großteil aller Comicveröffentlichungen aus. Warum ist dieses Comic-Format für Zeichner*innen nach über 100 Jahren noch immer so attraktiv?
Serien entwickeln im besten Falle eine Sogwirkung: Man taucht von Folge zu Folge tiefer in die Welt ein und lernt die Figuren besser kennen. Und das gilt ja nicht nur für das Lesy, sondern auch für die Zeichnerin. Wie alle Fantasiegeschöpfe entwickelt auch Petronia ein Eigenleben und es ist eine große Freude, ihr dabei zuzusehen. Ich denke, dass es vielen Strip-Zeichnys ähnlich geht: Es ist schön, die eigene Schöpfung über einen langen Zeitraum hinweg zu begleiten, Höhen und Tiefen mit ihr zu teilen. Vielleicht sind diese Wesen ja ein wenig wie unsichtbare Freunde.
Woran arbeitest du gerade? Hast du wieder ein längeres Buchprojekt in der Mache?
Momentan zeichne ich hauptsächlich tagespolitische Karikaturen für die Süddeutsche Zeitung und neues deutschland. Dann will auch Prinzessin Petronia weiterhin jeden Monat für die Zeitschrift Das Magazin porträtiert werden. Nebenbei arbeite ich an einer neuen Serienidee, die aber noch zu unfertig ist, um sie hier zu erzählen.
Prinzessin Petronia – Das Brimborium schlägt zurück ist seit März 2024 erhältlich.